Kommentar zum Urteil Arosa Gratis-Skiabos: In Graubünden wäscht eine Hand die andere
Der Baukartell-Skandal hat den Klüngel in Graubünden offenbart. Die Gratis-Skiabos in Arosa fallen in dieselbe Kategorie, auch wenn die Bergbahnbosse freigesprochen wurden. Die Kultur muss sich ändern.

Im Engadin leben heute mehr Menschen, die nicht rätoromanisch sprechen, als Rätoromanischsprechende. Es ist nicht mehr 1850 und die Einheimischen sind nicht mehr unter sich. Die Schweiz schaut hin.
So war es beim Baukartellskandal 2004 bis 2012, als sich Bauunternehmen im Unterengadin gegenseitig Aufträge zuschanzten. Das Kartell wurde aufgedeckt. Schweizweit rückte Graubünden in schlechtes Licht. Ganz ähnlich lief es nun in Arosa.
Von 2014 bis 2022 boten die Arosa Bergbahnen Gemeindepolitikern und hohen Beamten stark vergünstigte oder sogar gratis Skiabos an. In der Höhe von bis zu 550 Franken. Nun wurde am Prozess in Landquart bekannt, dass nicht nur die örtlichen Gemeindepolitiker, sondern auch diejenigen in Chur vom Angebot profitierten.
Ein Teil des Skigebiets Arosa liegt auf Boden der Bürgergemeinde Chur. Deshalb ist man auf eine gute Zusammenarbeit den städtischen Behörden angewiesen. Politiker und Beamte, sogar der Churer Stadtoberförster, wurde ebenfalls dazu eingeladen, ihre gratis Skiabo bei den Bergbahnen abzuholen.
Systematisch haben die Arosa Bergbahnen für alle möglichen Entscheidungsträger Skiabos bereitgestellt. Und das schon seit mindestens 50 Jahre. 1974 war das noch kein Problem. Sogenannte Vorteilsgewährung war hierzulande nicht einmal strafbar. In der Zwischenzeit hat sich das aber geändert.
Das Verschenken von Skiabos an Entscheidungsträger ist heutzutage mehr als gesunder Lobbyismus. Geschenke über einem Wert von 300 Franken sind seit der Jahrtausendwende unter dem Punkt Vorteilsgewährung strafbar. So sieht es auch das Regionalgericht Landquart.
Dennoch spricht es die Bergbahnbosse von der Anschuldigung vollumfänglich frei. Hauptsächlich aus der Begründung, dass diese fahrlässig gehandelt hätten. Sprich, sie hätten nicht gewusst, dass sie etwas Strafbares tun.
Die Angeklagten als Opfer
Im April 2021 berichtete die «Südostschweiz» als erste über die Praxis der Arosa Bergbahnen in einem Artikel. Die angeklagten Lorenzo Schmid, Verwaltungsratspräsident Arosa Bergbahnen, und Philipp Holenstein, CEO Arosa Bergbahnen, liessen die Praxis bis ins nächste Jahr weiterlaufen. Als sie merkten, dass es zu einer Anklage kommt, stoppten sie die Praxis.
Doch zeigen sie Reue? Nein. Ihr Strafverteidiger moniert in Landquart den Zeitgeist der "Gutmenschen", der schlecht sei. Seine Mandaten hätten besseres zu tun, als sich damit herumzuschlagen, ob es nun berechtigt sei oder nicht, Skiabos zu verschenken. Der Angeklagte Holenstein sagte in den Verhandlungen es sei ein Bagatellfall, der eine Gruppe von politischen Gegner und Medien gegen die Bergbahn-Bosse führten.
Lorenzo Schmid sagte bereits 2021, als die Praxis aufgedeckt wurde, gegenüber der «Südostschweiz»: «In Arosa sind alle im selben Team.» Genau diese Mentalität ist aber häufig das Problem in Graubünden. Sie ist nicht mehr zeitgemäss, wenn sie es überhaupt jemals war. Es war dieselbe Begründung, die das Baukartell im Unterengadin so lange am Leben hielt: Um in den abgelegenen Talschaften zu überleben, muss man zusammenstehen.
Genau diese Mentalität gilt es jedoch abzulegen. Auch wenn im Fall der Arosa Gratis-Skiabos keine Strafbarkeit vorliegt. Und dieser Wandel muss von der Spitze kommen: Namentlich von der Bündner Regierung. Vom Baukartell-Skandal hatten sie nichts gelernt. Trotz Aufarbeitung in einer parlamentarischen Untersuchungskommission.
Ähnlich wie Holenstein verstrickten sich die damals zuständigen Regierungsräte in Ausreden. Regierungsrat Jon Domenic Parolini trat nicht vom Amt zurück, auch wenn er als ehemaliger Scuoler Gemeindepräsident Hinweise von Informant Adam Quadroni aufs Kartell ignoriert hatte. Der heutige RhB-Verwaltungsratspräsident und ehemalige Regierungsrat Mario Cavigelli zeigte ebenfalls keine Reue. Er sprach mehrfach von unterländische Medien, die das Thema aufbauschten. Auch ihm passte der Zeitgeist nicht.
Problematische Tradition
Und jetzt in Arosa? Alles nur halb so wild? Das Regionalgericht Landquart, wo die Verhandlungen stattfanden, sieht das zumindest so. Teils hätten die Angeklagten zwar gegen das Gesetz verstossen, aber halt nicht vorsätzlich. Sprich, sie hätten schlicht nicht gewusst, dass sie etwas Illegales tun.
Verwaltungsratspräsident Schmid und CEO Holenstein erhalten vom Gericht je über 8000 Franken Entschädigung zugesprochen, der Kanton Graubünden übernimmt darüber hinaus die Verfahrenskosten. Die Strafauszüge der Angeklagten bleiben leer. Die Staatsanwaltschaft lässt offen, ob sie das Verfahren weiterzieht.
Doch werden die Freigesprochenen auch etwas daraus lernen? Zumindest den Bündnerinnen und Bündner soll es eine Lehre sein, die alten Strukturen aufzubrechen und im 21. Jahrhundert anzukommen. Die Schweiz schaut hin. Auch in Graubünden herrschen Gewaltenteilung, Demokratie und Rechtsstaat.
Die Anklage hat zumindest dazu geführt, dass die Arosa Bergbahnen die alte Tradition einstellten. Beim nächsten Mal kann die Begründung von Fahrlässigkeit nicht mehr gelten.
Komische Begründung, gilt doch „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“. Das Urteil hinterlässr einen sehr schalen Geschmack!
Spannender Artikel! Sehr gut geschrieben, danke!